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Die Entwicklung des deutschen Frauenfußballs


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    5,61 Millionen Menschen saßen am 24. Juli vor dem Fernseher – alle schauten das gleiche: Das erste Spiel der deutschen Nationalelf bei der Fußball-Weltmeisterschaft in Australien. Das entspricht 60% Marktanteil. Nichts Ungewöhnliches während einer WM? Sehr wohl. Denn das Spiel lief an einem Montagmorgen – um 10.30 Uhr. Und es waren nicht die Herren, die spielten, sondern die Frauen. Der Sender ZDF, der das Auftaktspiel übertrug, hatte laut Medienberichten auf zwei bis drei Millionen gehofft. 

    Dass die Erwartungen so übertroffen wurden, ist ein klares Zeichen dafür, wie populär Frauenfußball hierzulande in der breiten Masse der Gesellschaft geworden ist. Bis es so weit kam, mussten zahlreiche Frauen über Jahrzehnte kämpfen. Denn lange wurde Frauenfußball in Deutschland nicht ernst genommen.

    Frauen, die gerne Fußball spielen, gibt es hierzulande sicherlich schon so lange es Fußball gibt. In den 1920er-Jahren organisieren Studentinnen erste Fußballspiele bei deutschen Hochschulmeisterschaften. Die Vereinsgeschichte des deutschen Frauenfußball beginnt jedoch erst 1930 – mit einer Zeitungsannonce in den Frankfurter Nachrichten: Lotte Specht, damals 19 Jahre alt, sucht nach anderen Frauen, um einen Fußballverein zu gründen. 

    In anderen Ländern wie Großbritannien und Frankreich ist der Sport schon viel länger bei den Frauen angekommen. Doch um Sport geht es Specht ohnehin nicht vorrangig: „Meine Idee, die kam nicht nur aus der Liebe zum Fußballsport, sondern vor allen Dingen frauenrechtlerisch. Ich habe gesagt, was die Männer können, können wir auch“, wird Specht zitiert. 

    Und sie hat Erfolg mit ihrer Zeitungsanzeige: Rund 40 Rückmeldung gehen ein – im gleichen Jahr gründen insgesamt 35 Frauen den 1. Deutschen Damen-Fußballklub (1.DDFC) in Frankfurt.

    Der neue, damals ungewöhnliche Verein bleibt nicht unbemerkt: Die Presse berichtet – mal wohlwollend, meistens jedoch hämisch. Teilweise werden die jungen Sportlerinnen als „Mannweiber“ beschimpft und es soll sogar zu Steinwürfen gekommen sein. Fußball ist Männersport und soll es auch bleiben.

    Die negativen Reaktionen sind so schwerwiegend, dass der 1.DDFC bereits im Herbst 1931 wieder aufgelöst wird. „Und weil auch die Zeitungen so gemein zu uns waren, haben einige Eltern den Mädchen das Fußballspielen verboten. Mit der Zeit wurden wir immer weniger und nach einem Jahr, tja, da war er aus, der Traum“, sagte Lotte Specht damals.

    Nicht nur die Öffentlichkeit, auch der Deutsche Fußball-Bund (DFB) ist damals offenbar wenig begeistert von der Initiative der jungen Frauen. Den Aufnahmeantrag des 1. DDFC lehnt er ab. Ein paar Jahre später, 1936, heißt es in einer Pressemitteilung des Vereins, dass der Fußball „mit der Würde und dem Wesen der Frau unvereinbar“ sei.

    Im Jahr 1955 verbietet der DFB den ihm angeschlossenen Vereinen, Frauenmannschaften zu gründen oder zu führen. Auch Frauen auf den Plätzen spielen zu lassen, wird schriftlich untersagt. Schieds- und Linienrichter dürfen keine Spiele von Frauen leiten. Die Begründung: „Im Kampf um den Ball verschwindet die weibliche Anmut, Körper und Seele erleiden unweigerlich Schaden, und das Zurschaustellen des Körpers verletzt Schicklichkeit und Anstand.“

    Natürlich spielen Frauen trotzdem Fußball. Und da der DFB nicht will, werden andere Verbände gegründet: die Deutsche Damen-Fußballvereinigung und der Westdeutsche Damen-Fußball-Verband. Unter deren Dach kommt es zu zahlreichen Länderspielen: 1956 zum Beispiel spielt ein Team deutscher Frauen gegen die Niederlande – vor fast 20.000 Zuschauern. 

    1970 dann hebt der DFB sein Verbot auf und lässt Frauenmannschaften zu. Doch es werden große Unterschiede und schräge Auflagen gemacht, um den Sport bei Frauen zu regulieren: Frauen müssen mit einem Jugendball spielen, dürfen keine Stollenschuhe tragen und die Spiele dauern zwei Mal 30 statt zwei Mal 45 Minuten. 

    Trotzdem: Immer mehr Frauen wollen kicken. Fußballfunktionärin Hannelore Ratzeburg zum Beispiel, die später in den 1990er-Jahren als erste Frau in den DFB-Vorstand gewählt wird und zahlreiche Ämter im Fußball für Frauen bekleidet hat. In einem Interview des DFB sagt sie: „Ich war neugierig und auch ein bisschen angepiekst durch die 68er, die Studentenbewegung, den Widerspruchsgeist. Da habe ich gesagt: Das möchte ich auch mal ausprobieren.“ Sie habe dann einige andere Frauen dafür gewinnen können. „Ich weiß noch, die meisten kamen mit Gymnastikschläppchen zum Training in die Halle.“

    1989 wird die Nationalmannschaft der Frauen Fußballeuropameister – das Turnier wird in Deutschland gespielt. Ein großer Meilenstein in der Geschichte des Sports. Martina Voss, heutige Bundestrainerin, ist dabei, genauso wie Silvia Neid, Ex-Bundestrainerin.  

    22.000 Menschen verfolgen das 4:1 gegen Norwegen im Stadion in Osnabrück. Nach dem Sieg werden die Spielerinnen zu Talkshows eingeladen, das öffentliche Interesse wächst. Finanziell jedoch spiegelt sich dies nicht wieder: Als Prämie erhalten die Sportlerinnen zum EM-Sieg ein Kaffeeservice von Villeroy & Boch. 

    Unter der FIFA findet die erste Weltmeisterschaft im Frauenfußball 1991 statt. Die USA gewinnen damals – und holen in den Jahren darauf noch ganze drei Mal den Pokal. Deutschland siegt 2003 zum ersten Mal, 2007 zum zweiten Mal. 

    Heute spielen über eine Million Frauen unter dem Dach des DFB Fußball in Deutschland. Bis heute jedoch kann nicht von einer Gleichstellung der Geschlechter bei den Verbänden die Rede sein. Bestes Beispiel dafür: die aktuelle WM der FIFA. 

    2023 ein Rekord-Jahr in Sachen Prämien in der Geschichte: Die FIFA schüttet drei Mal so viel Geld aus wie vor vier Jahren in Frankreich. Für die Teilnahme am Turnier soll jede Spielerin 30.000 US-Dollar vom Weltverband erhalten, bei einem Titelgewinn kommen pro Kopf rund 270.000 US-Dollar Preisgeld dazu. Doch: Die Prämien werden nicht direkt ausgezahlt, sondern an die Verbände, im Falle von Deutschland also an den DFB. Ob das Geld bei den Spielerinnen ankommt, bleibt also den nationalen Verbänden überlassen. Und: Die Herren hätten in Katar rund 400.000 US-Dollar pro Kopf vom Weltverband bekommen – wären sie nicht in der Vorrunde ausgeschieden.

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    Author: Elizabeth Huerta

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